Kurzübersicht
Die Errichtung des Rundkinos auf der Prager Straße war Bestandteil eines umfangreichen Wiederaufbauprogramms in der Dresdner Innenstadt nach deren Zerstörung im zweiten Weltkrieg. Wettbewerbe, Studien und weitreichende Planungen zur Errichtung eines sozialistischen Stadtzentrums mit internationalem Anspruch gingen dem eigentlichen Bau der Prager Straße und des Rundkinos voraus. Die Grundsteinlegung erfolgte am 22.10.1969, nachdem der südliche Teil der Prager Straße mit den drei Hotelbauten, der langen Wohnzeile, den Pavillons und dem Hotel Newa fertiggestellt worden war. Das Rundkino wurde schließlich als Filmtheater Prager Straße am 7.Oktober 1972 eröffnet. Es bildete eine wichtige städtebauliche Funktion auf der Prager Straße. Nach der Wende ging es zunächst in den Besitz der Treuhandanstalt über und von dieser 1991 in den Besitz der UFA-Theater AG aus Düsseldorf. 1992 erfolgte eine Erweiterung im Keller. Seine städtebauliche Funktion verlor das Haus, als es von 1994 bis 1996 durch verschiedene Gebäude im Rahmen der Verdichtung der Prager Straße umbaut wurde. 1998 eröffnete in unmittelbarer Nachbarschaft der architektonisch spektakuläre Kristallpalast, der zusammen mit dem Rundkino eine spieltechnische Einheit bildete. Im gleichen Jahr wurden die Foyers und der große Saal umfänglich saniert und das Puppentheater der Stadt Dresden zog ein. Im Jahre 2002 wurde das Rundkino durch das Jahrhunderthochwasser schwer beschädigt, der Kinospielbetrieb eingestellt. Der Betreiber des Kinos ging in Insolvenz, 2004 auch der der Eigentümer des Hauses. Im Januar 2007 erwarb die Tetris Immobilien GmbH das Gebäude. Bereits im März 2007 wurde der große Saal unter dem Label Cinemagnum als 3D Kino wieder eröffnet. Gut eineinhalb Jahre Später, am 5.November 2008 erfolgte auch die Eröffnung der 5 renovierten Kinos im Kellergeschoss des Gebäudes.
Lesen Sie im einzelnen:
• Situation auf dem Areal der Prager Straße in den 60er JahrenSituation auf dem Areal der Prager Straße in den 60er Jahren
Fast 20 Jahre nach dem verheerenden Brand Dresdens vom Februar 1945 war die
Dresdner Prager Straße, einst das Konsum- und Geschäftszentrum der
bürgerlichen Stadt – die es in Dresden neben der aristokratischen
eben auch gab – noch immer eine innerstädtische Wiese: beräumt
von den Trümmern, ein Platz voller Möglichkeiten. 1963 – zwei
Jahre nach dem Mauerbau - wurde der Aufbau dieser Straße im Zeichen der
Konsolidierung und der Zukunftshoffnung der verbliebenen sozialistischen
Gesellschaft von 1965 bis 1972 beschlossen und ein städtebaulicher
Ideenwettbewerb ausgeschrieben. Das „Aufbaugebiet Prager
Straße“, ursprünglich als reine Einkaufsstraße
konzipiert, wurde mit 1500 Wohnungen und 2340 Hotelbetten, 5.005
Gaststättenplätzen und 13.818 Quadratmetern Verkaufsfläche in
eine lebendige, einzig den Fußgängern vorbehaltenen Zone umgewandelt.
Architektonisch war sie Vision und Experimentierfeld der Moderne unter
spezifisch sozialistischen Voraussetzungen.
Blick vom Rathausturm, 1979
Credit: SLUB/ Deutsche Fotothek, Höhne/ Pohl
Hier taucht erstmals das Kino auf, konzipiert als „Filmtheater“ neben einem (unausgeführten) „Tanzvarieté“ als kulturelle Komponente der neuen Straße. Es führt eine traditionsreiche Kinogeschichte des Areals fort. Allein im Bereich der neuen Prager Straße hatte es vor 1945 zwei Premierenkinos und drei ‚normale‘ Kinos gegeben. Das Kino, zusammen mit dem Centrum Warenhaus Teil der zweiten Bauphase, war der Schlußpunkt im ehrgeizigen Aufbauprojekt. In seiner preisgekrönten Architektur auf dem Hitzepunkt der Architektur der 1960er Jahre, die auch heute noch Attraktivität beanspruchen kann, entstand es aus einem doppelten Kontingenzraum heraus: dem des aufgehobenen privatkapitalistischen Bodeneigentums und dem des aufgehobenen sozialistischen Stildogmas. Das hatte zu Beginn der DDR stalinistisch und bis zu diesem Filmtheater im Tenor des internationalen Stils ökonomisch rechteckig gelautet. Der städtebauliche Entwurf sah zunächst noch einen solchen kistenförmigen Baukörper am Nordende der Prager Straße vor.
Der Wettbewerb
Auf erste Kritiken der Fachwelt und wohl auch der Bevölkerung an der
drohenden Gesichtslosigkeit der Prager Straße in ihrer Ansammlung von
Gebäuden, die dem Dogma des rechten Winkels folgen, und den
Befürchtungen, so einen sich weiter fortsetzenden Identitätsverlust zu
evozieren, wurde 1966 ein Ideenwettbewerb ausgeschrieben, der mit der
Prämisse einer dynamischen Bebauung ansetzt: als „kultureller
Höhepunkt des Aufbaugebietes Prager Straße“ sollte das Kino
Identität schaffen und die Lebendigkeit der Prager Straße
erhöhen. Die Frage, die sich ähnlich auch in vielen westdeutschen
Städten stellte, war, „wie wir auch bei völlig neu entstehenden
städtebaulichen Ensembles, unter Berücksichtigung des heutigen Standes
der Produktivkräfte, zu einer jeweils unterschiedlichen, unverwechselbaren
Aussage kommen, die eine enge emotionelle Bindung unserer Bürger zur
Heimat, also auch zu den [...] neu entstehenden [...] Städten
schafft“. Aus dieser Prämisse heraus wurde der Standort mehr ins
Zentrum der neuen Prager Straße verlagert, und es sollte eine
„geschwungene Form“ realisiert werden. Der Wettbewerb, an dem sich
17 „Autorenkollektive“ aus der DDR beteiligten, ergab zwei
Favoriten: einen mit geschwungenen Linien im Grundriß, und in seiner
konsequentesten Form hieß das: mit kreisrundem Grundriß (Manfred
Fasold/Winfried Sziegoleit); und ein Kino mit geschwungenen Linien im
Aufriß, entfernt erinnernd an die
Philharmonie Scharouns
(Heinz Kästner/Peter Thieme/Wilfried Irmier). Der Kreisentwurf erhielt die
Zustimmung des Stadtrates, und die Suggestion dieser Kreisform wurde alsbald zur
quasi-natürlichen „städtebaulichen Forderung“, der alle
architektonischen, statischen und ökonomischen Bedenken untergeordnet
wurden.
Auf der Grundlage des Entwurfs von Fasold/ Sziegoleit aus Radebeul (2. Preis im
Wettbewerb von zwei 2. Preisen/ einem 3. Preis) wurde das Rundkino errichtet.
Credit: IRS/ Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung
Der städtebaulichen Situation und den funktionalen Anforderungen nicht
gerecht geworden: trotzdem eine lobende Erwähnung für Barbara und
Dieter Bankert sowie Dieter Mehlig
Credit: IRS/ Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung
Planung und Bau
Ausgeführt wurde der Entwurf von Gerhard Landgraf, Waltraud Heischkel und
Theo Wagenführ, drei jungen Architekten, für die das Kino die bisher
größte Aufgabe war. Die Planungsphase wurde von Stadtrat und Rat des
Bezirkes äußerst kritisch verfolgt. Viele Ansprüche waren unter
einen Zylinder zu bringen: Die der „TÖZ“, der
„technisch-ökonomischen Zielstellung“, in der die
gastronomische Versorgung eine entscheidende Rolle spielte, wollte man doch eine
auch nach Geschäftsschluß lebendige Straße; die des
Zivilschutzes, der Luftschutzbunker in jedem öffentlichen Gebäude
forderte; nicht zuletzt die der Baukosten. Mehrere Entwurfsvarianten, in Auftrag
gegeben aufgrund der überraschenden Verteuerung von 8,1 auf 11,3 Mio.
DDR-Mark, diskutierten u.a. auch einen ovalen Bau. Zusätzlichen Effet
erhielt die Debatte um den Entwurf, als der Direktor des Architekturbüros
in der Sächsischen Zeitung den Bau für 7 Mio. versprach, wenn auf die
„Snackbar“ verzichtet würde – die laut
„TÖZ“ wiederum ein wesentlicher Teil des Projektes war, stand
es doch an der Gelenkstelle nicht nur zwischen Hotel- und Geschäftszentrum,
sondern auch strategisch als einziger „belebender Faktor“ in der
Verbindungslinie vom Warenhaus zur Straßenbahn. „Ohne
Snackbar“ würde „das Filmtheater tagsüber kaum aktiv nach
außen wirksam“ und der Standort veröden. 1968 wurde das
Kreisprojekt dennoch für 11,3 Mio. vom Stadtrat genehmigt. Die Werkplanung
(1969-70) lief unter einem gekürzten Honorar, Mängelrügen,
Mißbilligung und Anhörungen der Architekten. Am Ende standen die
Baukosten bei 14,8 Mio. DDR-Mark - auch so etwas ging also in der
Planwirtschaft. Die Legitimierung der gestiegenen Kosten lautete: weil der
„Städtebau einen Zylinder als Grundform fordert, der technologisch
für das Filmtheater ungünstig ist“. Zudem drückte der
Plantermin, spätestens der Republikgeburtstag des Planjahres 1972.
Konzept und Eröffnung
Tatsächlich
eröffnete das Haus am 7.Oktober 1972
. Es sollte dabei kein ordinäres Kino sein, sondern
„Erstaufführungshaus für den Bezirk Dresden“, ein
„repräsentatives Lichtspielhaus“, das den Film zur ernsten
Unterhaltung erhebt. Ausgestattet mit einer 70-mm-Vorführtechnik, sollte es
vor allem Filme aus der sowjetischen Filmproduktion zeigen. Im großen Saal
kamen ausschließlich Premieren zur Aufführung. Auch das
„Reprisentheater“ war nicht so sehr Wiederaufführungstheater
(das auch, es war eines der ersten Programmkinos der DDR), als vor allem der
Jugendarbeit und der Kunst der „Werktätigen“ offen. Das Konzept
des Kinos sah wie in einem Theater Anrechte vor, die rege genutzt wurden, so
dass pro Tag von 1.250 nur 200 Plätze in den freien Verkauf gelangten. Es
gab Senioren- und Kinderaufführungen, Rockkonzerte, Schlagerabende und
Gesprächsrunden im Klubraum im Obergeschoß. Und vor allem fand hier
regelmäßig die „Jugendweihe“, die Initiation in das
sozialistische Gesellschaftsprojekt, statt.
Der Vorhang öffnete sich zu einer ersten Aufführung für die
„Bauschaffenden“ (noch vor Fertigstellung der aufwendigen
Lüftungstechnik) am Republikgeburtstag 1972 für das sowjetische
Kriegsepos „Befreiung“. Ob die Heldin des bedeutenden
Architekturromans der DDR, Franziska Linkerhand, im „Rundkino“ auf
der Prager Straße ein Modell bei ihrem Kampf um die „Neue
Stadt“ sah, weiß man nicht. Immerhin lebte und zweifelte die Autorin
Brigitte Reimann im nahen Hoyerswerda. Insgesamt erreichte das sozialistische
Gesellschaftsprojekt niemals die erwünschte Produktivität und war
hinsichtlich repräsentativer Bauten eigentlich immer knapp bei Kasse. An
wenigen städtebaulichen Punkten wurde der gesellschaftliche Reichtum
konzentriert zum Ausdruck gebracht. Das Rundkino ist ein solcher
bauästhetischer Konzentrationspunkt gewesen, ablesbar auch an der fast
verdoppelten Bausumme.
Literatur zu diesen Abschnitten
Delitz, Heike (2007): »Rundkino« und »Kristallpalast« in
Dresdens Prager Straße. Architektursoziologie zweier extraterrestrischer
Architekturen, in: Thomas Bohn (Hg.): Von der »sozialistischen
Stadt« zur »europäischen Stadt« und zurück? Urbane
Transformationen im östlichen Europa des 20. Jahrhunderts. Bad Wiesseer
Tagungen des Collegium Carolinum, München (im Druck)
Delitz, Heike / Fischer, Joachim (2006): Das Rundkino in Dresden. In:
Sächsisches Archiv für Architektur und Ingenieurbau (Hrsg.):
Zeitzeugnisse. Architektur und Ingenieurbau in der zweiten Hälfte des 20.
Jahrhunderts in Sachsen. H. 3: Dresden – Architektur der
Nachkriegsmoderne, Dresden, S. 32-41.
Die Zeit nach der Wende 1989-2002
Die Bezirksfilmdirektion Dresden wurde zunächst in die Dresdner Kino GmbH
umgewandelt und von der Treuhand im Rahmen von Industrieausschreibungen (sic!)
zum Verkauf angeboten. Die UFA Theater AG aus Düsseldorf übernahm aus
diesem Paket das Rundkino und das
Olympia
Theater an der Dohnaer Straße (die
Schauburg
, der
Faunpalast
und die
Parklichtspiele
gingen in die Hand der Neuen Constantin, die
Stephenson Lichtspiele
und das Filmtheater West an eine Immobilienfirma namens Müller und Schwert.
Von diesen Kinos überlebt einzig die Schauburg und das Rundkino. Das
Kino Ost
und das
Filmtheater Hauptbahnhof
gingen in private Dresdner Hände über.). Die UFA Theater AG
übernahm den Spielbetrieb zum 1.April 1991. Damit verbunden war auch eine
programmatische Umgestaltung: Die Studiobühne diente fortan nicht mehr als
Heimstatt des Amateur- und Kunstfilms, sondern bediente zusammen mit dem
großen Saal das große Angebot an (und die große Nachfrage
nach?) Hollywood-Filmen. Dieser überschwemmten den Dresdner Kinomarkt, der
bei weitem nicht über die nötigen Abspielkapazitäten
verfügten. Entsprechend wurden im Keller des Rundkinos, der bis dato im
Wesentlichen von der voluminösen russischen Klimaanlage eingenommen wurde,
fünf weitere Kinosäle eingebaut, die Kinos 3 bis 7 mit
Sitzplatzkapazitäten von 96 bis 332 Plätzen.
Rundkino im Hinterhof: Blick vom Rathausturm, 2003
Credit: Mathias Wagner
In der Zeit bis 1997 kann man das Rundkino wohl als eines der am besten ausgelasteten Häuser Deutschlands bezeichnen, denn die UFA hatte mit diesem praktisch das Monopol für die Auswertung aller Hollywood-Blockbuster in Dresden inne. Die anderen von der Treuhand verkauften Kinos waren längst geschlossen und die mittlerweile zum 3-Saal Kino umgebaute Schauburg bekam, da in private Dresdner Hand, keine dieser Filme zur Auswertung zugeteilt. So war es praktisch die Regel, dass das komplette Haus zu den Wochenenden in den Hauptvorstellungen ausverkauft war. Die UFA Theater AG unter dem Vorstand von Volker Riech plante folgerichtig eine Erweiterung. Nach umfänglichen und langwierigen Planungen einigte man sich schließlich auf einen Grundstückstausch: Das dem Rundkino zur Prager-Straße hin vorgelagerte Grundstück gegen eine sich zur St. Petersburger Straße hin erstreckende Fläche hinter dem Rundkino. Auf ersterer entstand im Rahmen der neu ausgerufenen Stadtplanungs-Maxime, nach der die Innenstadt "verdichtet" werden müsse, ab 1995 der Wöhrl-Plaza-Komplex der Tetris Grundbesitz GmbH aus Reichenschwand, der das Rundkino L-förmig umschließt und damit praktisch vollständig vor dem Blick der Passanten auf der Prager Straße verbirgt, das Kino sozusagen in den Hinterhof stellt - eine bedauerliche stadtplanerische Fehlleistung. Auf dem letzteren Grundstück errichtete die UFA Theater AG nach endlosen Planungen und Debatten den sogenannten Kristallpalast nach Entwürfen des Wiener Architekturbüros COOP Himmelb(l)au .
Der benachbarte Kristallpalast mit den Kinos 8 bis 15
Credit: FSF GmbH & Co KG
Der Kristallpalast beinhaltet die Kinos 8 bis 15 mit Sitzplatzkapazitäten zwischen 175 bis 585 Plätzen. Zusammen mit dem Rundkino war eines der größten Multiplexkinos Deutschlands erstanden. Es ist wichtig zu wissen, dass Rundkino und Kristallpalast in Einheit betrieben wurden und keine Konkurrenz zueinander darstellten. Dies erkennt man auch baulich: Der Kristallpalast hat beispielsweise weder Büro- und Sozialräume für die Angestellten noch eine Werkstatt. Diese Räumlichkeiten befanden sich alle im Rundkino.
Unmittelbar nach Eröffnung des Kristallpalastes begann eine umfangreiche Renovierung des Rundkinos. Der große Saal bekam eine neue, rote Wandbespannung und die Projektions- und Beschallungstechnik wurde auf den neuesten Stand gebracht. Die Säle im Keller wurden neu bestuhlt mit bequemen Sesseln und großzügigen Reihenabständen. Die Studiobühne wurde dem Puppentheater der Stadt Dresden mietkostenfrei als neue Spielstätte überantwortet, ein Zugeständnis an die Stadt Dresden für den Bau des Kristallpalastes. Außerdem wurde der südliche Teil des Foyers von diesem baulich abgetrennt und dort ein Pizza-Hut eingerichtet.
Doch die Eröffnung des Kristallpalastes Ende März 1998 kam viel zu spät: Längst hatten zwei neue Multiplex-Kinos ihren Spielbetrieb aufgenommen: Die UCI-Kinowelt im Elbepark Kaditz/Mickten und das Bofimax (jetzt: Metropolis ) am Waldschlösschen. Die Kalkulationen für den Betrieb von Rundkino und Kristallpalast, die von einer Monopolstellung in Dresden ausgingen, waren damit Makulatur. Angeblich sei der UFA durch die Stadt Dresden vor dem Bau des Kristallpalastes zugesichert worden, man werde keine weiteren Kinoneubauten in Dresden genehmigen, wissen ehemalige UFA-Mitarbeiter zu berichten. Und es kam noch schlimmer: Trotz Warnungen von allen Seiten, der Dresdner Kino-Markt werde kollabieren, eröffnete Ende 2000 in der Schillergalerie am Blauen Wunder ein CinemaxX-Kinocenter mit 8 Sälen (die Stadt Dresden war damals in einer fatalen Zwangssituation: Der Investor der Schillergalerie wollte nur bauen, wenn dort ein Kino entstünde. Die Stadt brauchte jedoch das Geld aus dem Grundstücksverkauf am Schillerplatz, um den Umzug der Messe vom Straßburger Platz in das Ostragehege zu finanzieren. Und dieser Umzug war nötig, um dort Baufreiheit für die Gläserne Manufaktur von VW herzustellen. So entschied man sich in der Stadtverwaltung für die Genehmigung dieses neuen Kinos und provozierte damit wissentlich eine krankende Kinolandschaft in der Stadt). Damit war Dresden zu der Großstadt Deutschlands geworden, die mit über 12.000 Kinositzen die meisten Plätze in Kinos pro Einwohner aufzuweisen hatte [1]. Die Besucherzahlen im innerstädtisch gelegenen Rundkino/Kristallpalast-Komplex brachen dramatisch ein, der Spielbetrieb im Rundkino wurde auf teilweise zwei Vorstellungen (17.00 und 20.00 Uhr) pro Saal und Tag eingeschränkt.
Literatur zu diesem Abschnitt
Neumann, Carola (2005): Von der Schaubude zum Kristallpalast. Kinoarchitektur in
Dresden. In: Dresdner Hefte. Beiträge zur Kulturgeschichte. H. 82, S.
25-32.
Fritz, Karsten (2005): Kino Heute. In: Dresdner Hefte. Beiträge zur
Kulturgeschichte. H. 82, S. 89-95.
[1] Filmförderungsanstalt: Studie zu Besucherzahlen in Städten mit über 200.000 Einwohnern, 18.04.2002, Abruf vollständiges Dokument
Das Hochwasser und die Insolvenz 2002 bis 2007
Zu Beginn des neuen Jahrtausends schlitterte das Rundkino, zusammen mit vielen
anderen Kinos in Deutschland auch, in eine verhängnisvolle Krise, deren
Ursache in dem als maßlos zu bezeichnenden Neubau unzähliger
Multiplexkinos zu suchen ist. Eine entsprechende Entwicklung hatte ja auch in
Dresden, wie oben beschrieben, ihren Lauf genommen. Das mangelnde Angebot an
publikumswirksamen Filmen auf der einen Seite, die Masse an Bundesstarts, die
eine Auswertung älterer Filme verhinderte auf der anderen Seite, aber auch
die Konkurrenz durch die DVD führten zu einem fatalen
Besucherrückgang, der viele Kinos in Bedrängnis brachte. Viele
Betreiber konnten die Mieten, die auf den blühenden Prognosen Ende der 90er
Jahre ausgehandelt worden waren, nicht mehr zahlen. So kam es zu einer Welle von
Schließungen, die insbesondere ältere Tradtionshäuser, wie es
auch das Rundkino ist, betraf.
Zunächst jedoch überflutete am Morgen des 13.Augusts 2002 die Weißeritz weite Teile der Innenstadt, nachdem es am Tage zuvor zu einem Sturzregen gekommen war. Dadurch hochdrückendes Grundwasser flutete in den Folgetagen den Keller des Rundkinos und zerstörte alle fünf Kinosäle sowie die gesamte Haustechnik (Heizung, Klima, Notstrom). Ein Betrieb des Haues war damit nicht mehr möglich. Für das Puppentheater in der ehemaligen Studiobühne sowie den Pizza-Hut als Mieter wurden schnell Provisorien geschaffen. Das Engagement zur Wiederherstellung der Kellerkinos und eine Wiederinbetriebnahme des großen Saales hielt sich jedoch in engen Grenzen: Aus Sicht des Betreibers sah man wohl eine Möglichkeit, sich vom leidigen Rundkino zu trennen, da man sich, wie oben beschrieben, mit dem Betrieb von Kristallpalast und Rundkino unter den geänderten Marktbedingungen in Dresden offensichtlich übernommen hatte.
Für das Verständnis der nachfolgend geschilderten haarsträubenden Vorgänge ist eine kurze Erläuterung der Besitzverhältnisse wichtig: Das Rundkino befand sich damals im Besitz der UFA Theater AG, so wie viele, aber nicht alle, UFA-Kinos in Deutschland auch. Betrieben wurden die Kinos aber von einer anderen Firma: Der UFA Theater GmbH & CO KG aus Hamburg. Diese pachtete die Kinos von der UFA Theater AG. So wurde auch das Rundkino von der UFA Theater GmbH & Co KG betrieben. Anders waren die Verhältnisse beim Kristallpalast: Dieser wurde zwar auch von der UFA Theater GmbH & CO KG betrieben, befand sich jedoch nicht im Besitz der UFA Theater AG. Letztere hatte diesen zwar errichtet, dann aber sogleich an einen Immobilienfond ( Medico Fonds 43 ) verkauft. Im Oktober 2002 musste nun die UFA Theater GmbH & CO KG aufgrund der bundesweit katastrophalen Kinosituation Insolvenz anmelden . Folglich flossen auch keine Mieteinnahmen mehr an die UFA Theater AG und den Medico Fonds 43. Die UFA Theater AG versuchte daraufhin, das Rundkino beispielweise als Standort für die Staatsoperette loszuwerden. Vergeblich. Da auch die Versicherung für den Schaden im Keller nicht aufkommen wollte (gegen Hochwasser war das Haus zwar versichert, nicht jedoch gegen Grundwasserschaden, eine nette versicherungsrechtliche Spitzfindigkeit) geschah im Rundkino zunächst nichts.
Zum 1.April 2003 übernahm die Lübecker Kinogruppe Kieft & Kieft (Cinestar) in 37 der 32 von der UFA-Theater GmbH & Co KG betriebenen Häuser den Spielbetrieb, so auch im Kristallpalast Dresden, allerdings dort mit der Einschränkung, ausschließlich das Management zu führen, der Rest blieb unter der Verwaltung des Insolvenzverwalter Jens-Sören Schröder aus Hamburg. Eine Vertragsklausel verbot dabei den Kinospielbetrieb im Rundkino, um zu verhindern, dass sich Konkurrenz in unmittelbarer Nachbarschaft ansiedelte.
Im Herbst 2003 wurde das Rundkino unter Denkmalschutz gestellt.
Aufgrund ausbleibender oder stark reduzierter Mietzahlungen im Rundkino und auch in vielen anderen Kinostandorten Deutschlands schlitterte die UFA Theater AG nun selbst in die Krise und musste im Mai 2004 Insolvenz anmelden . Zum Insolvenzverwalter wurde Dr. Wolf von der Fecht der Düsseldorfer Sozietät Metzeler/van Betteray bestellt . Parallel dazu kündigten der Insolvenzverwalter der UFA Theater GmbH & Co KG und Kieft und Kieft zum 30.September 2004 die Verträge zum Betrieb des Kristallpalastes . Zum 1.Oktober 2004 übernahm eine neue Firma dessen Betrieb: Die FSF GmbH & Co KG aus Düsseldorf, die Firma, die eigentlich die Gebäudeverwaltung für den Medico-Fonds inne hatte und sich im Besitz von Marianne Riech, Ehefrau des insolventen Vorstandes der UFA Theater AG, Volker Riech, befindet. Damit fiel auch die Vertragsklausel mit dem Spielverbot im Rundkino weg.
Die Kanzlei Metzeler/van Betteray versuchte knapp drei Jahre lang, das Rundkino im Auftrage des Grundpfandrechtsgläubigers, der Sparkasse Münsterland Ost , zu verkaufen. Interessenten gab es zahlreiche: Beispielsweise plante das Staatsschauspiel Dresden 2005 seine Probebühne im großen Saal zu errichten. Andere Interessenten hatten die Einrichtung von Restaurants und Verkaufsflächen im Auge. Alle Vorhaben scheiterten jedoch an den hohen Investitionskosten, dem Denkmalschutz und anderer ungünstiger Rahmenbedingungen wie bspw. dem Brandschutz.
Postkarte des Vereins rundkino Dresden e.V., um auf die Situation des Rundkinos
nach ersten provisorischen Instandsetzungsmaßnahmen aufmerksam zu machen,
Anfang 2006 (Klick für große Version).
Entwurf/Credit: Andrea Knobloch
Die Initiative rundkino_revisited, aus der später der Verein rundkino dresden e.V. hervorging, begann sich seit 2003 mit dem Rundkino zu beschäftigen, kämpfte um dessen Erhalt, machte auf die Situation des Hauses aufmerksam und führte eigene Veranstaltungen durch. Mehr dazu finden sie hier .
Als ein glücklicher Umstand muss bezeichnet werden, dass in dieser Zeit sowohl das Puppentheater als auch der Pizza-Hut als auch die Verwaltung des Kristallpalastes eine ständige Präsenz im Gebäude zeigten. Dieser ist es zu verdanken, dass das Haus in der Zeit der Insolvenz nicht Opfer von Vandalismus wurde und naturbedingte Schäden am Gebäude sofort entdeckt und behoben wurden.
Weiterführende Links zu diesem Abschnitt
"Krise sind wir hier gewöhnt"
Zur Insolvenz der UFA-Theater GmbH & Co KG, dem damaligen Betreiber von
Rundkino und Kristallpalast
Krise der deutschen Kinobranche spitzt sich zu: Ufa AG meldet Insolvenz an
Zur Insolvenz der UFA Theater AG, dem ehemaligen Eigentümer des Rundkinos
Deutsche Kinolandschaft in der Krise
Hintergrundinformationen zu den Problemen in der deutschen Kinolandschaft und
der rechtlichen Abwicklung der UFA Theater GmbH & Co KG
Lübecker retten Ufa-Kinos
Zur Übernahme der UFA Kinos durch die Lübecker Firma Kieft und Kieft.
Ufa-Krise: Kino in Dresden macht zu
Zur Schließung des Dresdner Kristallpalastes
Im Februar 2008 wurde das Rundkino an die Tetris Grundbesitz GmbH & Co. KG aus Reichenschwand (Geschäftsführer u.a. Hans Rudolf Wöhrl) verkauft, an eben jene Firma also, der das das Rundkino umschließende Wöhrl-Plaza Gebäude gehört. Zunächst hieß es, man plane die Plaza und das Rundkino unterirdisch zu verbinden und zumindest den Keller für zusätzliche Lagerräume und als Verkaufsfläche zu nutzen, und in Ruhe eine kulturelle Nutzung des großen Saales zu planen. Entscheidend war jedoch für Tetris nach eigenen Aussagen, das Puppentheater als langfristigen Mieter für das Rundkino zu binden. Schnell konkretisierte sich jedoch die künftige Nutzung: Der Nürnberger Filmtheaterkaufmann Wolfram Weber und Besitzer von Deutschlands erfolgreichstem Multiplex-Kino, dem Cinecitta in Nürnberg, pachtete große Teile des Rundkinos und richtete im Großen Saal ein digitales 3D-Kino ein. Dieses eröffnete am 29.März 2007. Weitere Details zu diesem Vorgang finden Sie in den Fernsehberichten in auf unserer Mediengalerie .
Reinigung der Fassade im März 2007
Credit: Jan Winkler
Inbetriebnahme der Kellerkinos
Am 5.November 2008 wurden nach umfangreichen Bauarbeiten auch die fünf durch das Hochwasser zerstörten Kellerkinos wieder in Betrieb genommen und in den Foyers Bar und Lounge-Bereiche eingerichtet.